Was bisher geschah: Eine kurze Geschichte des „Pucher-Areals“

Es ist ein lange, fast schon unendliche Geschichte. Der ehemalige Chef der Mattersburger Commerzialbank, Martin Pucher, hat über Jahrzehnte Liegenschaften in der Mattersburger Innenstadt zwischen Michael Kochstraße und Hirtengasse erworben. Mit dem Ziel, dort die neue Bankzentrale und das neue Rathaus zu errichten. Ende 2019 wurde das Projekt präsentiert, mit Bankgebäude, neuem Rathaus und zwei Bürgebäuden plus Parkplätzen. Die Bankzentrale sollte vier Geschosse, das Rathaus drei haben. Am 10. Juli 2020 „explodierte“ der Commerzialbank-Skandal, die Bank wurde wegen mutmaßlichem Bilanzbetrug von der Finanzmarktaufsicht geschlossen. Der Rest ist Geschichte.

Die Versteigerung und der Kauf durch die BWSG

Anfang 2021 bekam das rund 12.000 Quadratmeter große Areal einen neuen Besitzer: die Wiener Sanag Sanierung GmbH ersteigerte die Liegenschaft aus der Konkursmasse der Commerzialbank zu einem kolportierten Kaufpreis von 375 Euro pro Quadratmeter. Burgenländische Wohnbaugenossenschaften waren bei der Versteigerung ausgestiegen, der Kaufpreis ließ sich ihrer Aussage nach „wirtschaftlich nicht darstellen“. Wenige Monate später ein erneuter Besitzerwechsel – das Areal ging an die Wohnbaugenossenschaft der Eisenbahner, die BWSG (BWS Gemeinnützige allgemeine Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft). Der Kaufpreis wurde nicht bekannt, er lag laut BWSG-Vorstand Mathias Moser mit rund 500 Euro aber deutlich über den üblichen Marktpreisen. Grundbuchrecherchen lassen den Schluss zu, dass der tatsächliche Kaufpreis deutlich über den angegebenen 500 Euro pro Quadratmeter gelegen ist. Wer viel zu teuer kauft, muss natürlich auch mehr „hinbauen“, um den Kaufpreis wieder hereinspielen zu können.

Ausschreibung eines Ideenwettbewerbs

Im Jänner 2022 wurde zur baulichen Gestaltung des „Pucher-Areals“ ein Ideenwettbewerb ausgeschrieben – nicht auf Kosten des Bauträgers, der BWSG, sondern auf Kosten der Stadt, die dafür rund 120.000 Euro aufgewendet hat. Von einer Jury unter dem Vorsitz des renommierten Architekten Herfried Peyker wurde das Projekt von Nussmüller.Architekten aus Graz zum Sieger gekürt. Die Gewinner beschrieben ihr Projekt so: „Die städtebauliche Körnung des Kontextes wird aufgegriffen und führt zu einer kleinteiligen Bebauungsstruktur mit maximal drei Geschossen, die sich in das abfallende Gelände einfügt.“ Bürgermeisterin Claudia Schlager erklärte damals: „Ich freue mich auf die Umsetzung der geplanten Projekte“. Eineinhalb Jahre später sollte von diesem ausgezeichneten Projekt nichts mehr übriggeblieben sein.

Nussmüller.Architekten

Nussmüller.Architekten

Juni 2023: Der Teilbebauungsplan – erste Versuch

Am 20. Juni 2023 steht plötzlich und für die Öffentlichkeit überraschend der Beschluss des Teilbebauungspanes für das „Pucher-Areal“ auf der Tagesordnung des Mattersburger Gemeinderates. Was bedeutet Teilbebauungsplan eigentlich? In dem Plan legt eine Gemeinde, in dem Fall eben die Stadt Mattersburg, fest, vereinfacht gesagt, wie hoch und wie dicht auf einem Grundstück gebaut werden darf. In dem vorgelegten Teilbebauungsplan waren viele Details wie bspw. Gebäudumrisse bereits festgelegt, offenbar in enger Absprache mit dem Bauträger BWSG. Vorgesehen waren Gebäudehöhen bis 28 Meter und bis zu acht Stockwerke (VII+, also sieben Geschosse plus ein sogenanntes Staffelgeschoss) und bis zu 150 Wohnungen. Wieso vom Siegerprojekt von Nussmüller.Architekten nichts übriggeblieben ist, formulierte Bürgermeisterin Claudia Schlager in der Bürgerversammlung anfang Juli so: „Das Siegerprojekt musste nach Rücksprache mit der BWSG etwas adaptiert werden. Das Projekt muss sich ja auch wirtschaftlich rechnen.“ Der Vorsitzende der Jury für den Ideenwettbewerb, Architekt Herfried Peyker, hielt dagegen und formulierte in einem Brief an die Stadtgemeinde: „Die hohe Zielsetzung des Stadtentwicklungskonzeptes wird ganz klar missachtet. Schade um den beispielhaften Ansatz, der den ‚wirtschaftlichen Notwendigkeiten‘ zum Opfer fiel.“

Lebenswertes Mattersburg – Der neue Teilbebaungsplan

Die Gründung der Bürgerinitiative

Wenige Tage vor dem geplanten Beschluss des Teilbebauungsplanes im Mattersburger Gemeinderat formierte sich die Bürgerinitiative „Lebenswertes Mattersburg“. Ihre Kritik an dem Projekt in der Kurzfassung: Zu viel Beton, zu wenig grün, zu hoch und zu dicht bebaut und noch mehr Verkehrsstau in der Innenstadt. Ein Projekt, das mit seinen Dimensionen die kleinstädtische Struktur von Mattersburg sprengt. Die Bürgerinitiative forderte eine umfassende Information der Mattersburgerinnen und Mattersburg, die es bis dahin nicht gegeben hatte. Am 20. Juni, am Tag der Gemeinderatssitzung, kam es im Rathaus zu einer Aussprache, in der Vertreter der Bürgerinitiative ihre Kritik vorbrachten und auf einen Bürgerbeteiligungsprozess drängten. Einigermaßen überraschend wurde der Tagesordnungspunkt „Teilbebauungsplan“ daraufhin von der Tagesordnung des Gemeinderates genommen. Bürgermeisterin Schlager kündigte für 3. Juli eine Bürgerinformation in der Bauermühle an.

Stadt verspricht, Teilbebauungsplan zu „überdenken“

Die Bauermühle war bei der Informationsveranstaltung am 3. Juli bis auf den letzten Platz besetzt. In einer teils emotionalen Diskussion wurde viel Kritik am Teilbebauungsplan, aber auch an der instranparenten Vorgangsweise der Stadt geäußert. Nach drei Stunden Diskussion versprach Bürgermeisterin Schlager, das Projekt „noch einmal überdenken“ zu wollen. Eine Entscheidung, die in den Medien als „Teilerfolg“ der Bürgerinitiative gedeutet wurde. Von Transparenz und Bürgerbeteiligung aber weiter keine Spur. Die Stadt ließ danach lediglich verlauten, sie habe einen Experten engagiert, mit dem man einen Workshop abhalten wolle.

Geheimniskrämerei und Expertenvorschläge

Nach Monaten der Geheimniskrämerei kündigte die Stadt für 4. Oktober eine weitere Bürgerinformation an. Dort wurde dann auch das Geheimnis um die ExpertInnen gelüftet. Es waren Erich Raith, der ehmalige Vorstand des Instituts für Städtebau und Raumplanung an der TU Wien, und die Landschaftsplanerin Karin Graf, die schon in der Jury für den Ideenwettbewerb war. Die Ideen der zwei ExpertInnen klangen durchaus vielversprechend.
Graf hatte sich dafür eingesetzt, den Bäumen „Tiefe“ zu geben, um wurzeln zu können, also nicht das ganze Gelände mit einer Tiefgarage zu „unterkellern“.
Raith wiederum empfahl der Stadt, in Anklang an die traditionelle burgenländische Siedlungsform, die Wohngebäude im hinteren Teil des Geländes, zur Hirtengasse hin, in „zeilenförmiger Bebauung“ aufzulösen. Ein interessanter Vorschlag, der sich in der Verordnung zum Teilbebauungsplan allerdings nicht wiederfindet.

Der Plan öffnet dem Bauträger praktisch alle Hintertüren, um zu bauen, wie es ihm gefällt. Mit dem Satz „Bürgeranliegen sind uns wichtig und wir nehmen sie ernst“ wurde Bürgermeisterin Schlager nach dem 4. Oktober zitiert. Mit dem neuen Teilbebauungsplan wird dieses Versprechen unserer Meinung nach nicht eingelöst.
Mehr zum aktuellen Teilbebauungsplan und unserer Kritik daran hier: Um was es jetzt geht.

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